“Schattenreisen”

Die aktuelle Ausstellung „Schattenreisen. Radierungen von Peter Bräuninger“ in der Graphischen Sammlung der ETH Zürich entführt die Besucher in das oftmals unheimliche aber auch faszinierende und zauberhafte Universum des Künstlers Peter Bräuninger.

Seine „Schattenwelten“ spiegeln neu inszeniert oft reale Orte in Zürich, Genua, Hamburg oder den USA wieder, die er in ein unerwartetes Licht oder besser gesagt „neue Schatten“ rückt. Die Werke entführen den Betrachter an die unterschiedlichsten Schauplätze und Räume und ziehen ihn in den Bann einer fantastischen, perspektivisch überraschenden Welt auf Papier. Kaum einer kann sich dem starken Sog der Bilder erwehren, in denen Peter Bräuninger seine virtuose Beherrschung der Darstellung von Räumlichkeit unter Beweis stellt. Der viel gereiste Schweizer Künstler, der einst als junger Mann davon träumte, Matrose auf hoher See zu werden, lässt das Publikum an seinem ganz persönlichen, oft melancholischen aber auch ironischen Blick auf Räume, seien sie real oder seinem Geiste entsprungen, teil haben.

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“Schattenreisen”, 1989, Radierung von Peter Bräuninger (geb. 1948)

Bei dem für die Ausstellung namensgebenden Blatt „Schattenreisen“ kehrt der rastlose Künstler an einen Ort seiner Kindheit zurück. Gemeint ist der Bahnhof Richterswil am linken Ufer des Zürichsees. Der Ort mag der realen Welt entnommen sein, doch zeigt er sich hier, ähnlich dem Schauplatz eines unheimlichen Traumes, verfremdet. Surreal wirkt die Darstellung des Hochseedampfers nahe des zweckentfremdeten Bahnhofgebäudes ohne Geleise. Der Mann mit Hut und Koffer, ein anonymer Reisender, dessen Gesicht im tiefen Schatten verborgen bleibt, scheint sehnsüchtig auf das grosse Schiff zu blicken. Schwelgt er vielleicht in Erinnerungen an eine vergangene Reise oder hegt er den unmittelbaren Wunsch aufzubrechen? Dieser wird hier wohl kaum erfüllt werden.  Weder kann ein Zug einfahren noch der Dampfer anlegen, trennen Schutt und Steine das Seegefährt vom Steg. Trotz dieser kafkaesken Situation, wirkt der scheinbar Wartende mit seinen in die Hosentaschen gesteckten Hände und dem leichten Kontrapost gelassen. Er hat Zeit.

Diese und auch viele andere faszinierende Szenen sind noch bis 18. Oktober 2013 in der Graphischen Sammlung der ETH Zürich zu entdecken.