iPad als Notebook-Ersatz?

Seit einigen Wochen bleibt mein Notebook in seiner Docking Station im Büro. Ich teste, ob sich das iPad als vollwertiger Ersatz für die mobile Nutzung eignet. Mittlerweile habe ich unterschiedliche Szenarien durchgespielt: Büroalltag mit Arbeit zu Hause am Abend oder Wochenende, Ferien und Tagungsbesuch. Das Fazit in aller Kürze: es funktioniert (weitgehend).

Szenario 1: Tagungsbesuch

Sehr positiv war beim Tagungsbesuch mit eigenem Vortrag das reduzierte Gewicht zu spüren. Mitgenommen habe ich nur das iPad, einen Adapter für Beamer (iPad to VGA) und das Netzladegerät mit Kabel. So ausgerüstet (mit der Präsentation auf einem USB-Stick für den Notfall…) bin ich zur Ticer 2010 nach Tilburg gefahren. Die Arbeit unterwegs an der Präsentation, die ich via Dropbox aufs iPad in die App Keynote geladen hatte, war sehr angenehm. Die Akkulaufzeit ist lange genug, damit man während der ganzen Reise im Flugzeug oder Zug arbeiten kann. Noch während des Vortrags der Vorredner konnte ich die letzten Änderungen vornehmen. Die Präsentation mit dem Adapter über den Beamer hat tadellos geklappt. Allerdings musste ich das iPad auf dem Rednerpult abstellen. Mit dem angeschlossenen Kabel ist die mobile Präsentation eher schwierig. Zudem muss man aufpassen, dass sich der Stecker nicht löst, wenn man das iPad zu stark bewegt. Als mir das bei der Vorbereitung einmal passiert ist, musste ich danach Keynote verlassen und wieder starten, damit das Bild wieder angezeigt wurde. Ich hatte den Eindruck, dass das Bild leicht flimmerte, was möglicherweise an der Auflösung des Beamers lag. Schwierig ist es, die Präsentation vom iPad aus mit anderen zu teilen. Keynote bietet nur die Möglichkeiten an, die Präsentation als Keynote oder PDF via iWork.com oder E-Mail mit anderen zu teilen. Ich habe erfolglos versucht, die Präsentation auf Slideshare hochzuladen. Prinzipiell sollte das per E-Mail-Upload gelingen, doch ich habe es nicht geschafft. Nachträglich möchte ich die Präsentation nun wieder auf dem PC und mit PowerPoint bearbeiten. Das geht nur, wenn ich die Keynote als Zwischenschritt auf einem Mac mit Keynote öffne (via iWork.com oder E-Mail) und dann als PowerPoint exportiere. Fazit: Arbeiten unterwegs ist toll auf dem iPad, aber die proprietären Tools machen den Austausch mit anderen zu einem Hindernislauf.

Was macht man sonst auf einer Tagung mit dem Notebook? E-Mails Lesen klappt mit dem iPad eher besser als mit einem Notebook, die Verbindung ins WLAN der Hochschule Tilburg ist absolut problemlos erfolgt. Konferenztwittern ist easy. Ich verwende dazu die iPad App Twittelator. Faszinierend ist es, die neusten Tweets gleich in Flipboard integriert zu lesen. Notizen mache ich mir auf Notepad Pro. Ich könnte auch Tonaufnahmen in die Notizen integrieren. Was mir nicht gelingt, ist Copy-Paste von Texten ins Notepad Pro. Aber es gibt ja auch noch andere Apps, wie Quickoffice, um in ein einfaches Worddokument zu schreiben oder Pages, um es etwas eleganter im Appleformat zu machen. Bei all diesen Aufgaben fällt negativ ins Gewicht, dass das iPad noch nicht Multitasking unterstützt. Somit muss man die einzelnen Applikationen jeweils schliessen, um in die andere zu wechseln.

Szenario 2: Ferien

Ein echter Web 2.0-Freak würde seine Ferien ja so planen, dass er sich eine Ferienwohnung auswählt, die WLAN-Anschluss aufweist. Ich habe das nicht gemacht – und hatte Glück, dass in unserem Appartement auf der niederländischen Insel Terschelling ein offener Hotspot zugänglich war. Angesichts der exorbitanten Roaming-Gebühren wäre ich sonst offline gewesen. So konnte ich aber wie gewohnt News auf den heimischen Webseiten oder in den Apps auf dem iPad lesen. Als genial erwies sich die App PressReader, die testweise kostenlosen Zugriff auf einige Zeitungsausgaben freier Wahl anbietet. So konnte ich am Sonntagvormittag wie gewohnt meine Sonntagszeitung am Frühstückstisch lesen. Nur konnte ich diesmal keinen Bund mit den anderen Familienmitgliedern teilen.

Dank der freien WLAN-Verbindung konnte ich meine Erlebnisse und auch Fotos auf Facebook teilen – wobei gerade letztes nicht übers iPad möglich ist. Die Fotos kamen nur vom iPhone aus direkt nach Facebook, aber das iPad hat ja schliesslich auch keine Kamera… Ich könnte aber die Bilder ab Digitalkamera mit einem Connector aufs iPad laden. Nach Facebook müsste ich sie dann aber via E-Mail hochladen. Es gibt noch keine Facebook App fürs iPad und somit keinen direkten Weg vom Fotoalbum auf dem iPad nach Facebook.

Was macht man in den Ferien sonst noch gerne? Wettervorhersage konsultieren, Radio hören und bei trübem Wetter vielleicht fernsehen? Beides geht mit unterschiedlichen Apps wunderbar. Ich habe mich mit Zattoo (via VPN-Verbindung auch im Ausland zugänglich) und der App fürs Schweizer Radio DRS bestens auf dem Laufenden halten können. Ach ja, Bücher lesen ist auch noch ein nicht unwichtiger Use Case fürs iPad in den Ferien. Also an den Strand habe ich das iPad tatsächlich nicht mitgenommen. Ich hatte auch Schwierigkeiten, im Vorfeld deutschsprachige Literatur zu finden, die mich interessierte. Schliesslich habe ich via Textunes einen deutschsprachigen Krimi gekauft. Im Amazon Kindle-Store habe ich englischsprachige Literatur gefunden, die sich auf dem iPad bestens lesen liess. Aber zwei aus der Gemeindebibliothek ausgeliehene Krimis hatte ich zusätzlich dabei. Zwischendurch diente das iPad auch als Musikstation: über den externen Lautsprecher kann man in einem Appartement recht gut in Zimmerlautstärke Musik hören. Und klar, für meinen Sohn habe ich noch zwei-drei Games aufs iPad geladen. Hier war das Problem, dass er das Gerät mit mir teilen musste und deshalb weniger zum Spielen gekommen ist, als er gehofft hatte.

Szenario 3: Büroalltag

Im Büroalltag eignet sich das iPad recht gut zum mobilen Arbeiten. Ich habe mir allerdings zum Schreiben längerer Texte eine Bluetooth-Tastatur von Apple besorgt. Das ergibt zwar etwas zusätzliches Gewicht, dafür kann man richtig im Zehnfingersystem schreiben. So kann ich effizient Protokolle schreiben oder mir Notizen von Vorträgen machen. Die Texte, die ich bearbeiten will, speichere ich in Dropbox ab. Zentral sind Apps wie Quickoffice zum Bearbeiten von Texten im Wordformat. Zwar werden Illustrationen in einem Worddokument nicht angezeigt, aber wenn man den Text bearbeitet und anschliessend wieder auf Dropbox hochlädt, sind die Bilder noch im Text. Quickoffice lässt sich auch mit GoogleDocs und der iDisk (von Apple) verbinden.

Entscheidend im Büroalltag sind die Mail- und Kalenderfunktionen, die beim iPad nichts zu wünschen übrig lassen. Die Integration mit Exchange funktioniert bestens. Noch nicht ausprobiert habe ich die Anwendung von Sharepoint, für das es Apps gibt. Das Intranet der ETH-Bibliothek basiert auf Sharepoint. Über den Safari-Browser kann ich auf die Seiten zugreifen und auch Office-Dokumente ansehen oder herunterladen und dann in Quickoffice oder Pages, Numbers oder Keynote bearbeiten. Die Kopie eines bearbeiteteten Dokuments wird lokal in Quickoffice gespeichert und muss dann wieder auf den PC übertragen werden.

In meinem Berufsalltag kommt es vor, dass ich online Informationen im Web aktualisieren muss. Hier bietet der Safari-Browser fast alle Möglichkeiten: auch die Homepage der ETH-Bibliothek kann ich via den Webclient für EZPublish (unser Web CMS) von unterwegs aktualisieren. Twitter, Facebook und ähnliche Tools sind ohnehin ausgezeichnet über das iPad bedienbar.

Fazit:

In ca. 95% der Fälle kann ich mit dem iPad alles tun, wofür ich früher mein Notebook brauchte. Noch mangelhaft ist die nahtlose Integration in die Cloud. Zwar bieten Apps wie Dropbox, ReaddleDocs oder Dienste wie GoogleDocs, iWork.com oder MobileMe (mit iDisk) die Möglichkeit zum Datenaustausch, doch sind sie nicht in alle wichtigen Anwendungen integriert. Keynote auf dem iPad führt in eine Sackgasse, wenn man Dokumente verändert. Nur auf dem Umweg über Keynote auf einem Mac kann ich ein verändertes Dokument wieder in eine PowerPoint-Präsentation umwandeln und dann auf dem PC weiterbearbeiten. In der Kombination von Dropbox und der App Quickoffice ist das mobile Büro jedoch sehr gut ausgestattet. Den fehlenden Printer-Zugriff habe ich übrigens noch nie vermisst… Ich meine, auf meinem Epson-Drucker mit WLAN-Anschluss könnte ich zu Hause drahtlos aus einer Applikation wie ePrint (unterstützt Dokumente auf iDisk) oder ActivePrint (unterstützt Dokument in Box.net) gewünschte Dokumente ausdrucken.

Es gibt aber auch einiges, was das iPad besser als mir bekannte Notebooks kann:

  • das Gewicht ist massiv geringer, auch das Ladegerät ist viel leichter als das Netzteil des Notebooks
  • die Verbindung mit WLAN ist so einfach wie beim iPhone und viel zuverlässiger als bei meinem Notebook (ein Lenovo)
  • E-Mail, Kalender, Twitter und viele Dinge, die man täglich braucht, sind sehr einfach zu nutzen und sehr gut integriert
  • E-Books lesen geht sehr gut, doch ist die Auswahl noch nicht so toll, und das e-Ink-Display eines Sony oder Kindle ist auf Dauer angenehmer
  • Up-to-date bleibt man via unterschiedlichster Apps von Zeitungen, Radiostationen oder zum Fernsehen
  • Flipboard als soziales Magazin ist schlichtwegs überwältigend, gerade auch mit der Integration von Twitter (und eigener Twitterlisten) und Facebook

Andererseits ist auch klar, dass das iPad nicht den PC ersetzen kann. Es ist kein selbständiges Gerät, sondern ein Zusatzgerät zur mobilen Nutzung. Und mein Notebook wird wohl auch künftig meistens in der Dockingstation bleiben…

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