20 Jahre www.ra.ethz.ch
Meine Beziehung zur ETH Zürich wurde etwa vier Jahre vor meinem ersten Arbeitstag am Rand des Grand Canyon eingefädelt. Wir trafen auf unserer Hochzeitsreise auf ein deutsches, in der Schweiz wohnhaftes Ehepaar, kamen ins Gespräch und wurden Freunde. Ende 1993 erzählte mir Torsten, dass sein Kollege Jürgen Winkelmann jemanden für die Betreuung der VMS-Rechner suche, ob das nicht etwas wäre für mich? Ich arbeitete zu dieser Zeit als Systemadministrator im Schulungszentrum der Firma Digital Equipment Corporation (DEC), wo sich langsam aber sicher der Untergang des einst so glanzvollen Computerherstellers abzeichnete. Da ich nicht nur ganz gut mit VMS-Systemen umgehen konnte, sondern vor allem weil ich bereits mit dem charismatischen Systemadministrator an der ETH Zürich bekannt war, empfing mich Jürgen mit offenen Armen.
Wechsel zur ETH Zürich
So begann ich im März 1994 meine Arbeit als Systemadministrator bei den Informatikdiensten mit der Aufgabe, die Kunden von VMS nach Unix zu migrieren. Wir konnten das Management davon überzeugen, dass wir erst einmal die VMS-Umgebung konsolidieren sollten und so durfte ich bald den leistungsfähigsten OpenVMS-Cluster der ETH Zürich betreuen. Wir hatten auch eine – allerdings deutlich kleinere – Unix-Maschine beschafft, aber die treuen VMS-Kunden waren von einer Migration nach Unix nicht gerade angetan. Kurz nach dem Jahrtausendwechsel ging die VMS-Ära bei der ID dann zu Ende, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich längst neue Aufgaben übernommen.
Das Jahr 1994 war nämlich ein äusserst ereignisreiches, es brachte für mich viel mehr als nur den Wechsel zur ETH Zürich. Ich war von Anfang an auch in das Projekt „EZINFO“ involviert. Dieses wurde von Franz Kuster geleitet und hatte den Zweck, den interessierten Studierenden Zugang zu E-Mail und anderen Diensten zu ermöglichen. Zu dieser Zeit waren E-Mail, FTP, Gopher usw. noch den Spezialisten vorenthalten, den Begriff „Internet“ kannte kaum jemand. An einer EZINFO-Sitzung meinte ein Student, am CERN würde etwas ganz neues in Sachen Kommunikation entstehen, wir sollten uns das doch unbedingt ansehen. Und so wurde ich im April 1994 Zeuge von einem Ereignis, das man wohl als Urknall des „World Wide Web“ bezeichnen darf: die erste WWW-Konferenz der Geschichte! Diese drei Tage haben mein Berufsleben so nachhaltig verändert, wie kaum ein anderes Ereignis (siehe www94.web.cern.ch/WWW94/). Das Jahr 1994 wurde dann im August noch durch die Geburt unserer Tochter gekrönt, zusammen mit unserem dreijährigen Sohn Daniel waren wir nun schon zu viert. Vervollständigt wurde unsere Familie drei Jahre später mit der Geburt von Mathias – mitten auf dem Schaffhauserplatz in unserem Wagen auf der Fahrt ins Spital, aber das ist eine andere Geschichte …
Vom Systemadministrator zum Webmaster
Während ich mich hauptsächlich noch um die VMS-Systeme kümmerte, nahm die Bedeutung meiner Funktion als Webmaster immer mehr zu und per 1. Oktober 1997 wurde ich zum ersten vollamtlichen Webmaster der ETH Zürich. Schon bald zeigte sich, dass die Pflege eines Webauftrittes nicht in erster Linie eine technische, sondern eine Aufgabe des Marketings ist. Während ich mich als technischer Webmaster hauptsächlich der Pflege der Hardware und Software annahm, wurde die Gestaltung und die Erstellung des Inhaltes von der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Aussenbeziehung, später Corporate Communication und heute Hochschulkommunikation, übernommen. Das WebOffice – eine Arbeitsgruppe mit Personen aus den Informatikdiensten und von Corporate Communication – war aus meiner Sicht eine geniale Institution, auch wenn diese Meinung von gewissen Vorgesetzten nicht wirklich geteilt wurde (siehe http://www.weboffice.ethz.ch/).
Eine zusätzliche Bereicherung zu meiner Arbeit waren die Besuche der Web-Konferenzen. Seit 1994 findet jedes Jahr eine solche statt und ich habe sie bis 2012 jedes Mal besucht. Anfangs fanden die Konferenzen abwechslungsweise in Europa und den USA statt, später kamen auch Austragungsorte in Australien und Asien dazu, so dass ich in den vergangen 20 Jahren vier Kontinente besucht habe. Im Dezember 1995 war es in Boston nicht nur bitterkalt, dort begann auch die Kommerzialisierung des Webs. Zum ersten Mal sah ich ein Taxi mit einer URL als Werbeaufschrift! Während gewisse Kreise diese Kommerzialisierung ablehnten und das Web akademisch „sauber“ halten wollten, gab es auch weitsichtigere Stimmen, welche meinten, dass der kommende Boom dieses Mediums eine Infrastruktur erfordere, welche ohne kommerzielle Unternehmen nicht realisierbar sei. Ein Jahr später entbrannte in Paris der „Browser-Krieg“, Netscape gegen Internet Explorer. Anfangs waren die Konferenzen sehr technisch, später kamen immer mehr wissenschaftliche und auch soziale Abhandlungen dazu – das Web wurde je länger je mehr zu einem Bestandteil des täglichen Lebens.
Von Zürich in die USA
Ich habe die ETH Zürich stets als flexible und grosszügige Arbeitgeberin erlebt. Ein besonderer Höhepunkt meiner Karriere war das Sabbatical im Sommer 2002. Zuerst besuchte ich in Begleitung meiner Familie die Web-Konferenz auf Hawaii, danach verbrachten wir drei Monate an der University of California in San Diego (UCSD). Während dieser Zeit konnte ich einerseits neue Erfahrungen im Umgang mit Webservern sammeln, zum andern durfte ich erleben, was es heisst, auf einem „richtigen“ Campus zu leben. Die Stimmung auf dem riesigen Gelände der UCSD empfand ich als einmalig, was für ein Gegensatz zur verzettelten ETH Zürich! Der Hönggerberg mag zwar ein gewisses „Campus-Feeling“ geben, dem ETH Zentrum fehlt dieses leider sehr (www.ra.ethz.ch/sabbatical2002/).
Inzwischen ist das Web weitgehend etabliert, was wir als „traditionelles Webhosting“ bezeichnen, ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Dies bedeutet allerdings keineswegs, dass mein Job zur Routine geworden wäre. Immer neue, Web-basierte Dienstleistungen kommen dazu und bestehende werden erweitert. Dazu gehört unter anderem SharePoint, ein Werkzeug, welches wir zwar schon seit vielen Jahren anbieten, sich an der ETH Zürich aber erst in letzter Zeit wirklich ernsthaft durchzusetzen beginnt.
Typisch für meinen Job scheint mir, dass es Aufgaben gibt, die mich zwar schon seit langem begleiten, sich aber immer wieder drastisch ändern. Dazu gehört die Web-Suche: Angefangen hatte es mit AltaVista, ein Produkt ähnlich revolutionär wie viel später Google, aber vom Hersteller zu stiefmütterlich behandelt, so dass es irgendwann fast über Nacht wieder vom Markt verschwand. Die Firma Eurospider in Zürich versuchte sich ebenfalls im Search-Business und so betrieben wir erst parallel zu AltaVista und später dann ausschliesslich eine Eurospider-Installation als Suchmaschine für’s ETH-Web. Als dann Google das Zepter übernahm, verzichtete die ETH Zürich jahrelang auf eine eigene Suchmaschine, doch mit dem Web Relaunch wurde wieder eine eigene Suchmaschine in Betrieb genommen, deren Betreuung erneut zu meinem Aufgabenbereich gehört.
Mein Steckenpferd an der ETH Zürich ist die Verwaltung des Webarchivs (www.webarchiv.ethz.ch). Von manchen wohl als eher unnötig betrachtet, liegt mir die Erhaltung früherer Webauftritte sehr am Herzen. Angespornt vom grossen Vorbild, dem Internet Archive (archive.org), versuche ich, Websites im Originalzustand und möglichst funktionstüchtig zu erhalten. Insbesondere bei einem Technologiewechsel, wie beispielsweise beim Archivieren einer im WCMS gehosteten Site als statische Website, ist das oft mit beachtlichem Aufwand verbunden. Als Webseiten-Restaurator gilt es fehlende Bilder zu beschaffen, gebrochene Links zu korrigieren und in manchen Fällen müssen auch Scripts angepasst werden, damit sie in der aktuellen Umgebung funktionieren.
In der Freizeit bin ich am liebsten zusammen mit meiner Frau in unserem über 30 Jahre alten VW Bus unterwegs, vorzugsweise in nördlichen Breitengraden, entsprechende Reiseberichte findet man auf unserer privaten Website (www.ambuehler.ch).
Für die erfüllte und äusserst interessante Zeit, die ich bis jetzt an der ETH Zürich verbringen durfte, danke ich all jenen, die dazu beigetragen haben, ganz besonders aber Jürgen, Peter und Roland sowie Markus, der während meinen Abwesenheiten stets klaglos meine Stellvertretung übernimmt.
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