Lern mit mir – Berufsbildung von zuhause aus

Die ETH bietet jungen Leuten seit Jahrzehnten die Möglichkeit, Berufslehren zu absolvieren. Heute sind es 15 verschiedene Berufe. Eine ausserordentliche Situation wie die jetzige hat die ETH und deren Berufsbildung noch nie erlebt. Was bedeutet das für die Lernenden und die Berufsbildenden?

Probleme, die in der aussergewöhnlichen Lage entstehen, verlangen nach neuen Lösungen. Als klar wurde, dass das Arbeiten von zuhause länger andauern würde, mussten Verantwortliche in der Berufsbildung nach neuen Methoden suchen, die Lernenden zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich weiter zu entwickeln. So entstand die Online-Plattform «Lern mit mir». Sie bietet den Lernenden aus allen Berufsrichtungen in zwei separaten Teilen, einem öffentlich zugänglichem und einem ETH-internen mit Login-Zugang, Platz für Kurse, Workshops und News.

Das Angebot auf der Plattform

Das öffentliche Angebot auf der Plattform «Lern mit mir» beinhaltet vor allem Online-Berufsinformationen. Anstelle von der zweiten Lehrstellengalerie dieses Jahres, die im März stattfinden sollte, verlegt man die Präsentationen auf Zoom. Berufsbildende und Lernende bieten Präsentationen auf ihre Art und Weise. Interessierte können Fragen stellen und sich direkt bei den Lernenden informieren. Es ist wichtig, auch in diesem Jahr neue Lernende an die ETH zu ziehen. Man möchte der Schwierigkeit entgegenwirken, dass Sek-Schülerinnen und -Schüler ohne Schnupperlehren trotzdem den richtigen Beruf finden und sich bewerben. Ausserdem können Lernende ihre «Stories» veröffentlichen, also Beiträge über ihre Erfahrungen in der Lehre. Interessierten geben sie so einen persönlichen Einblick in das Berufsleben.

Weitaus wichtiger für die Lernenden gestaltet sich das interne Angebot auf der Plattform. Thomas Crameri, Ausbildungsverantwortlicher für technische und handwerkliche Berufe in der HR-Berufsbildung, erzählt in einem kurzen Interview von der Situation der Lernenden. Man müsse unterscheiden zwischen Berufen, die den Wechsel auf Home-Office gut wegsteckten, und die, die damit etwas mehr Mühe hatten. Informatiker/-innen etwa brauchen zum Arbeiten generell weniger Infrastruktur als Polymechaniker/innen oder Physiklaborant/-innen. «Nicht jeder hat eine Werkbank zuhause und kann Teile wie gewohnt herstellen», so Crameri. Es wird also zur Aufgabe der Berufsbildenden, wo nötig andere Kompetenzen zu fördern und die Lernenden in Strukturierung des Alltags oder in der Selbstorganisation zu fördern.

Internes Veranstaltungsangebot und Newsroom

Auf der internen Seite von «Lern mit mir» stösst man schnell auf den Newsroom. Und der sieht ungewohnt aus: News aus den unterschiedlichsten Bereichen mit farbigen Bildern, die wenig mit Corona zu tun haben. Das sei das Ziel, sagt Thomas Crameri. Die Lernenden schreiben News über die Dinge, die sie interessieren und beschäftigen. Etwa in der Rubrik «How to Survive Boredom» findet man gute Netflix-Tipps der Lernenden, in den «Happy News» posten sie Geschichten aus aller Welt, die einem ein Lächeln auf das Gesicht zaubern.

Ein weiteres Feature der Plattform sind Veranstaltungen, Workshops und Diskussionsforen, die meistens über Zoom abgehalten werden. Sie beschränken sich vor allem auf die Menschen in der Berufsbildung. Berufsbildende oder Lernende stellen anderen Lernenden diese Veranstaltungen oder Kurse zur Verfügung. Man findet beispielsweise ein Zoom-Meeting zur DNA-Isolation aus Tomaten von einem Biologielaboranten im 2. Lehrjahr. Es ist toll, wie sich die Lernenden gegenseitig unterstützen und ihre Fähigkeiten weitergeben.

Fallbeispiel Workshop zur IT-Sicherheit

Um die Lernenden und ihre Situation besser zu verstehen, nahm ich an einem Workshop über IT Sicherheit teil. Er wurde von Marc Winkler, Berufsbildner der Informatikdienste und Leiter des IT Lehrlabors, durchgeführt. Sein Workshop richtete sich aber nicht unbedingt an Informatik-Lernende, denn deren Umstieg auf den Notbetrieb beschreibt er als gut bis sehr gut. Ausserdem sind diese in den meisten Fällen schon vertrauter mit IT-Sicherheit als Lernende aus anderen Berufsfeldern.

Marc Winkler zu seinem Workshop: «IT Sicherheit ist ein sehr wichtiges Thema und ich hoffe, mit diesem Angebot den Lernenden die Möglichkeit zu bieten, auf interessante Art und Weise ihr Verhalten zu analysieren und Gelerntes zu repetieren.» Und das gelang ihm auch. Der Workshop war trotz Abhaltung über Videokonferenz sehr interaktiv und abwechslungsreich gestaltet. Mit Screen-Sharing und einem Google Docs-Dokument, auf welches alle Teilnehmenden Zugriff hatten, konnten wir Live zusammen Ideen sammeln, als wären wir in einem Raum. Marc Winkler forderte uns zudem am Schluss zu einem Kahoot-Wettbewerb auf, wo wir das eben Besprochene testen konnten. In eineinhalb Stunden haben wir viel erfahren, uns untereinander ein wenig kennengelernt und einen aktiven Austausch gepflegt.

Marc Winkler erzählt über die Herausforderungen der Lernenden aus seiner Sicht: «Es gibt viele Möglichkeiten wie sich Lernende untereinander unterstützen können, zum Beispiel moralisch, in dem sie sich gegenseitig ab und zu auch ablenken, dass sie sich untereinander austauschen und natürlich auch, wie man auf Lern mit mir sieht, ihr Wissen aneinander weitergeben.»

Idee und Realisierung

Die Idee für die Plattform «Lern mit mir» ist zwischen der HR-Berufsbildung und einzelnen Lehrlaborleitern entstanden. Darauf kam das Berufsbildungsteam mit der Idee auf die Informatikdienste zu, um abzuklären, ob der Aufbau einer solchen Plattform durch Lernende realisiert werden könnte. In diesem Projekt unterstützten Martin Schneider und Marc Winkler die Interactive Media Design-Lernenden beim Aufbauen der Plattform. Die Plattform wird auf der Web-Infrastruktur der Basisdienste – Hosting gehostet. Das Team von ID Hosting hat hier hinter den Kulissen in kurzer Zeit einen grossen Einsatz geleistet.

Und in Zukunft?

Zukunftsvisionen für «Lern mit mir» gibt es einige, jedoch sind es noch keine festen Pläne, meint Thomas Crameri. Marc Winkler und er sind sich aber einig: Sie beide würden sich freuen, wenn «Lern mit mir» auch in einem zukünftigen Normalzustand weiterentwickelt und in die Berufsbildung eingebettet wird.

Links

Werfen Sie einen Blick in den öffentlichen Teil der Plattform Lern mit mir: Vielleicht kennen Sie ja angehende Lernende, denen Sie die öffentliche Berufsinformation weiterempfehlen können?

Lesen Sie in folgenden Beiträgen zur Entstehung des IT Lehrlabors:

Text: Francine Tobler, Kontakt: Sabine Hoffmann

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