Jobrotation vom Client Support zum Service Desk

Ein Erlebnisbericht von Rudolf Friederich. Er wechselte innerhalb der Informatikdienste vom Client-Support zum Service Desk.

Meine neue Arbeit am Service Desk ist der früheren Arbeit nicht unähnlich. Früher hatte ich meine Stammkunden. Das waren Institute, Professuren und sogar ein Emeritus, die auf meine IT-Hilfe zählten. Kunden, die man mit der Zeit kennt: Ihre Eigenarten und ihre IT-Probleme, die routinemässig wiederkehrenden Arbeiten, die man auch langsam auswendig kennt, doch aber durchaus notwendig sind, um einen reibungslosen Betrieb aufrecht zu erhalten. Man ging zum Kunden raus, war oft unterwegs und man konnte sich nicht über mangelnde Bewegung beklagen: Zwischendurch mal ins WET, ins NO, ja sogar den Berg hinauf ins HAD. Ja, das Fitness-Abo ist in diesem Job inklusive! Die Zeit konnte man mehr oder weniger frei einteilen: Hatte ich heute viel zu tun, verlegte ich mehr Termine auf übermorgen (ausgenommen Notfälle, versteht sich) um morgen ein bisschen mehr Ruhe in den Alltag reinzubringen und etwas mehr Zeit im Büro zu verbringen. Wieder mal ein bisschen im c’t lesen und mehr auf «Remote Desktop» zu machen.

Der ID Service Desk ist für alle da

Meine neue Arbeit hier am Service Desk ist ein wenig anders. Wie gesagt, nicht unähnlich der vorherigen, aber doch anders. Ich würde sagen, sogar anstrengender. Auch hier habe ich einen Kundenkreis, aber doch merklich umfassender: Die gesamte ETH mit der ganzen Studierendenschar. Wer will kann anrufen, mailen oder vorbei kommen. Wir sind da. Wir, ein Team von sechs Personen, für weiss wie viel Tausend potentielle Kunden. Vom Studierenden bis zum emeritierten Professor oder Professorin. Alle können – wissen Sie nicht mehr weiter und suchen Rat oder haben bloss das Passwort vergessen – die leicht zu merkende Telefonnummer anrufen, ein Mail absetzen oder auch mal am Schalter vorbei kommen; meist mit einem beladenen Notebook; meist mit einem Virus, manchmal auch mit einer defekten Harddisk. Wir, das Service Desk, sind für sie alle da. Manche verweisen wir weiter an die Spezialisten in den Tiefen der Informatikdienste oder an die ISLs der ISGs. Aber vieles machen wir selbst, denn nicht nur die Kunden sind unsere Kunden, auch die eigenen Leute, d.h. die Informatikdienstler und die ISLs zählen wir zu unseren Kunden. Ja, auch die bereits erwähnten Spezialisten. Weswegen? Weil wir auch dazu da sind, ihnen ihre Arbeit zu erleichtern, ihnen Arbeit abzunehmen wie Routinesachen oder Vorabklärungen. Die Minimal-Vorgabe ist, ein Drittel der eingegangenen Anfragen selbst zu bewältigen, aber wir arbeiten natürlich an der Maximal-Vorgabe von der Hälfte!

Neue Aufgaben im Service Desk

 

Ich erwähnte anfangs, dass die Arbeit am neuen Ort anstrengender ist: Die Zeiteinteilung ist weitgehend fremdbestimmt, die Mails kommen, wann sie wollen, die Anrufe ebenso und auch die Schalterkunden melden sich oft nicht an. Es lässt sich nicht einfach einen Termin hinausschieben, nur weil man gerade ein bisschen schlapp ist. Auf Befindlichkeiten wird keine Rücksicht genommen. Natürlich sprechen wir uns im Team ab, wenn mal einer nicht kann oder sonst weg ist. Das klappt reibungslos und der Kunde merkt nichts. Höchstens in den Spitzenzeiten zu Semesterbeginn, wenn alle das Passwort nicht bekommen haben oder der neue Laptop nach dem Neptunfenster nicht arbeitet wie er sollte. Ja, dann kann’s Wartezeiten geben. Aber, wie ich es erlebe, der noch gar keine Spitzenzeiten erlebt hat, ist die Arbeit hier nicht nur anstrengender und fremdbestimmter, sondern in hohem Masse auch befriedigender als früher. Das direkte Feedback des Kunden ist überaus wertvoll. Da gibt es Kunden, die sich entschuldigen, weil sie uns mit derart Belanglosem belästigt haben oder die sich überaus freuen und herzlichst danken, wenn man ihr Outlook oder ihren VPN wieder zum Laufen gebracht hat – am Telefon noch persönlicher als per E-Mail. Natürlich gibt es auch die nervigen Kunden, aber die gab’s auch früher; die gibt es immer, aber immer in der Minderzahl. Und das Beste? Wir sind für die Kunden da: For free – gratis und ohne Versandkosten und Mehrwertsteuer! Vermutlich gerade deshalb weil sie wissen, dass unser Service kostenlos ist, sind sie vielleicht angenehm überrascht, dass der Service so gut ist. Unser Dienst ist gratis, aber nicht billig. Wir setzen alles daran, den Service auf einem hohen Niveau professionell anzubieten.

Der ID Service Desk ist anders

Landläufige Meinung ist: «Service Desk, Helpdesk, Callcenter, Helpline», alles einerlei. Die tun doch alle dasselbe. Stellen einen Haufen Fragen und haben doch keine Ahnung von unseren Problemen! Man bleibt minutenlang, wenn nicht länger, in der Warteschleife, gibt eine Menge Geld und Nerven aus und bekommt am Ende doch nichts Gescheites. Ehrlich gesagt, habe ich früher auch so gedacht. Man kennt die Geschichten von den Anrufen an die unzähligen Providern und Callcenters aller Art in der ganzen weiten Welt. Da wird outgesourct hüben wie drüben nach Billiglohnländern und wenn das Gegenüber dieselbe Sprache halbwegs nicht nur versteht, sondern auch spricht, darf man schon optimistisch sein, eine teilbrauchbare Ahnung einer Lösung zu haben.

Ohne Warteschleife

Nun, diesen, unseren Service Desk lässt den Kunden nicht warten. Es gibt keine teure Warteschleife, nicht mal eine kurze Warteschleife. Wenn doch, dann nur in Spitzenzeiten der Spitzenzeiten. Es wird gesprochen in Deutsch und Englisch (wenn auch mit Akzent). Die Mails werden in der Regel innert einer Stunde persönlich beantwortet (nicht die automatische blabla-Antwort, die kommt unverzüglich). Und dann das Know-how: Ich kenne einige Tools und einige Dienste der ETH sowie der Informatikdienste von der früheren Arbeit. Zum Beispiel das Admin-Tool unter passwort.ethz.ch. Na ja, kennen ist vielleicht nicht das richtige Wort, eher eine Ahnung haben. Aber die vom Service Desk kennen das Tool wirklich, und es ist um einiges grösser, als wir es kennen – als ich es von früher kannte. Und sie können es bedienen! Kennen all die Services und die Untertools, haben auch eine Menge Rechte, um all den Leuten zu helfen. Ich bin noch dran, vermutlich noch länger, um es dermassen in den Griff zu bekommen. Ich muss noch Fragen stellen, zu vielen Sachen. Am Telefon heisst es dann: «Bleiben Sie eine Sekunde in der Leitung? Ich muss abklären.» Und von diesen Tools gibt’s noch einige, wie das «Netcenter» (ehemals und immer noch Komcenter) mit seinen Untertools, das ETHis, das Adobe CQ5 und und und. Für all das und noch mehr, geben wir Support und lassen den Kunden nicht hängen. Das Know-how ist umfassend, nicht so spezialisiert natürlich wie in den Abteilungen. Ich würde sagen, eher tiefgreifender generalisiert. Und es wächst. Mit jedem neuen Tool und Service, das das Licht der ETH erblickt, sind wir einbezogen, lernen wir kennen. Wir sind erste Ansprechpartner in IT-Angelegenheiten, ETH-weit. Wir sind First- und Secondlevel-Support. Und genau das ist es doch, was die Arbeit interessant macht, dynamischer, lebendiger. Zumindest für mich.

Dankbarkeit der Kundschaft

Wenn jemand sich bedankt am Telefon wegen einer (für mich) Kleinigkeit und man die Freude und Erleichterung am anderen Ende der Leitung spürt, wenn das Problem gelöst ist, da denke ich oft, «deswegen machst du Service Desk», um den Leuten ein Segen zu sein, um mehr Programme kennen zu lernen, um tiefere Einblicke in Gebiete zu gewinnen, die vorher eher verschlossen waren und um sich den ganz grossen Unterschied bewusst zu machen, was unseren Service Desk von einem handelsüblichen Callcenter unterscheidet: Nämlich weg von dem Flow-Chart-Fragen-und Antwort-Spiel, das jeder robotergerecht abarbeiten kann, hin zum erfahrenen IT-Supporter, der nicht zu Anfang einer IT-Ausbildung ins Service Desk kommen kann, sondern am Ende, weil er erst eine Menge wissen, lernen und erfahren muss über Kundenkontakte, die ETH und die IT, um dem gerecht zu werden, was die Arbeit am Service Desk ausmacht.

Die Arbeit im Service Desk ist herausfordernd

Ich wurde gefragt, ob das denn nicht ein Abstieg sei und ob da nicht Know-how verloren geht über das, was ich bis jetzt machte. Natürlich geht etwas verloren, wenn man Neues in Angriff nimmt und Altes liegen lässt. Einige Dinge braucht man nicht mehr so oft wie früher, andere Dinge überhaupt nicht mehr. Aber das macht nichts. Wenn ich vom Support ins Webdesign oder in die Programmierung wechseln würde, ginge noch viel mehr verloren. Das wäre aber auch nicht weiter schlimm, denn es kommt Neues, viel Neues hinzu. Die Arbeit hier am Service Desk ist nicht minderwertiger als andere Arbeiten, nur weil sie nicht so spezialisiert ist wie zum Beispiel Programmieren in C#. Sie ist eben anders, wie andere Arbeiten auch anders sind. Die landläufige Meinung, dass es reicht, wenn man gerne am Computer sitzt und telefoniert, um in ein Service Desk zu passen, ist gerade hier bei unserem Service Desk grundfalsch aus den oben genannten Gründen. Das Zehnfingersystem an der Tastatur sollte man jedoch schon beherrschen. Es gibt eine Menge zu Tippen!

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