Dritter Bericht von der Web-Konferenz WWW2010 in Raleigh, NC, USA
Heute wurde nun die Web-Konferenz offiziell eröffnet. Danach war so etwas wie Vatertag. Im weiteren Verlauf gab es eine Diskussionsrunde unter dem Titel „FutureWeb“ und das Thema „Privacy“ wurde behandelt. Am Abend wurden dann im Rahmen einer „Welcome Reception“ die Posters präsentiert.
Nach der recht trockenen offiziellen Eröffnungszeremonie kamen diverse Väter zu Wort. Zuerst präsentierte Vint Cerf – der oft als Vater des Internets bezeichnet wird – unter dem Titel „Bandwidth, Clouds and Things, Oh My!“ seine Sicht der aktuellen Situation rund um das Internet. Er warnte, dass spätestens im Jahr 2012 die IPv4 Adressen ausgehen werden und es höchste Zeit sei, IPv6 endlich flächendeckend einzuführen. Zwar wurde schon mehrfach vorausgesagt, dass die IPv4 Adressen demnächst ausgehen würden und irgendwie fand die Menschheit dann doch immer noch Tricks und Lösungen, um den drohenden Kollaps abzuwenden, aber ich stimme dem Mann, der es eigentlich wissen muss zu, dass die Zeit für IPv6 überreif ist und gerade technische Hochschulen bei der Umsetzung von IPv6 voranschreiten sollten. In seinem Vortrag erwähnte er unter anderem einige eindrückliche Zahlen: Zur Zeit sind 800‘000‘000 Computer mit dem Internet verbunden (bzw. gibt es für so viele Computer DNS-Einträge) und es gibt weltweit 1‘802‘000‘000 Benutzer. Inzwischen sind 26.6% der Weltbevölkerung online. Ich kann mich noch an Web-Konferenzen erinnern, da wurde gesagt, dass die Anzahl Benutzer des Internets gerundet bei 0% liegt. Allerdings schwankt die Verbreitung des Internet-Zugangs noch immer gewaltig. In den skandinavischen Ländern ist annährend 100% der Bevölkerung online, in den USA 65%, in China 20% und in Afrika sind es einige wenige. Zudem betonte Vint die Wichtigkeit einer geordneten Archivierung. Er warnte, dass wenn wir es verpassen würden, Daten rechtzeitig in geeigneten Formaten zu archivieren, dass wir unseren Nachkommen bloss einen riesigen Haufen verrotteter, unbrauchbarer Bits hinterlassen würden.
Anschliessend gab es eine Podiumsdiskussion zum Thema „Open Government and the World Wide Web“. Teilnehmer war zum einen Tim Berners Lee, der Vater des Webs. Daneben sassen unter anderem David Ferriero, Archivist of the United States und Andrew McLaughlin, Deputy U.S. Chief Technology Officer in the Executive Office of the President auf der Bühne. Es wurde hervorgehoben, wie wichtig es sei, dass die Verwaltungen Daten in einheitlichen und offenen Standards ablegen. David Ferriero beklagte, dass jede Verwaltungseinheit eigene Datenformate und eigene Prozesse definiert habe, was seine Arbeit als Archivar äusserst schwierig mache. Er lobte die Bemühungen der Obama-Administration, diese Datenhaltungen zu vereinheitlichen. Von anderer Seite wurde dagegen beklagt, dass gewisse administrative Einheiten – insbesondere auf lokaler Ebene – die Einsicht in Daten wie zum Beispiel den Verlauf der Kanalisation mit Hinweis auf den Schutz vor Terrorismus verweigern würden. Es ist demnach noch ein weiter Weg zur offenen Verwaltung.
Am Nachmittag stand noch einmal TBL im Mittelpunkt des Interesses. Zusammen mit Danny Weitzner erörterte er unter dem Titel „FutureWeb“ Fragen zur Entwicklung des Webs. Es wurde festgehalten, dass zur Zeit 65% der Amerikaner einen Highspeed-Internet-Zugang hätten. Dabei gilt DSL oder mehr als Highspeed. Es wurden Untersuchungen angestellt, wer diese 35% der Bevölkerung sind, die keinen Internet-Zugang haben, wo diese Leute leben und vorallem, warum sie keinen Zugang haben. Dabei schien niemand in Erwägung zu ziehen, dass es Leute geben könnte, die vielleicht gar kein Internet wollen oder brauchen. Jedenfalls hat der Staat ein Programm ins Leben gerufen, welches den Ausbau der „Mittleren Meilen“ fördert. Gemeint ist damit, dass Leitungen mit genügend Bandbreite von den grossen Backbones in Regionen erstellt werden, wo es noch wenige Internet-Zugänge gibt. Dies soll die Firmen, welche dann die „Letzte Meile“ anbieten, in die Lage versetzen, die noch nicht erschlossenen Bevölkerungsteile zu vertretbaren Konditionen ans Internet anzuschliessen. Erwähnt wurde auch ein Rechtsstreit zwischen den Behörden und den Internet-Providern zum Thema „Internet Neutralität“. Es wurde ein Gesetz erlassen, welches die Provider verpflichtet, via Internet alle Anwendungen und jeden Inhalt ohne Diskriminierung anderer Provider zu klar verständlichen Preisen anzubieten. Die Provider haben sich erfolgreich gegen dieses Gesetz zur Wehr gesetzt. Damit haben die Provider theoretisch die Möglichkeit, z.B. unter dem Vorwand, sie müssten Ihre Resourcen aus technischen Gründen und zur Wahrung der Betriebssicherheit kontrolliert einsetzen, Inhalt zu blockieren und damit eine Art Zensur auszuüben. Die Behörden sind jetzt bestrebt, die rechtlichen Unsicherheiten zu beseitigen und ein freies Internet zu garantieren.
Der Tag wurde mit einem Apero und der Präsentation der Poster abgeschlossen.