Encyclopédie – eine Schule des skeptischen Denkens

Die ersten Bände von Diderots Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers erschienen im Jahr 1751 und trafen, wie später das gesamte Werk, auf ein immenses Interesse.

Doppelseitige Abbildung, Kupferstich; oben: Labor, unten: planetarische Zeichen, Metalle, Elemente, Vorläufer der Periodentafel, Periodensystem

Doppelseitige Abbildung aus Rar 8742: Kupferstich; oben: Labor, unten: planetarische Zeichen, Metalle, Elemente, Vorläufer der Periodentafel, Periodensystem

 

Intellektuelle in ganz Europa kauften das Werk des Aufklärers Denis Diderot und seines Kollegen Jean Baptiste le Rond d’Alembert, welche die Enzyklopädie zusammen mit 142 Mitarbeitern verfasst hatten. Unter den Mitarbeitern finden sich so illustre Namen wie Voltaire, Jean-Jacques Rousseau oder Montesquieu. Die ganze Herausgabe war mit riesigem Aufwand verbunden, die Kosten waren enorm, Man stelle sich die mit der Entstehung verbundene Arbeit wie in einer Bibliothek vor: Die Autoren arbeiteten mit hunderten von Zettelkästen und Referenzbüchern, welche in der Wohnung Diderots Platz fanden. Die 142 Autoren verlangten Honorare, Kupferstecher, Buchdrucker und Lagerhäuser mussten bezahlt, Papier zum Drucken und Leder für die Einbände mussten gekauft werden. Das Projekt erfuhr enormen Auftrieb, da die Subskriptionen rasch anstiegen, so dass die Auflage des vierten Bandes bereits 3000 Exemplare betrug. Die Encyclopédie war eine Art „intellektuelle Belagerungsmaschine“, deren Funktion es war, das Fundament ihrer Zeit zu erschüttern. Auch Diderot selbst konnte nicht wissen, dass dieses Unterfangen, welches bescheiden angefangen hatte, mehr als ein Vierteljahrhundert seiner Lebenszeit beanspruchen und schliesslich 17 Bände Text mit 71 000 Artikeln und über 20 Millionen Wörtern sowie elf weitere Bände mit insgesamt 2 800 Kupferstichen umfassen würde. Weil Diderot zu dem Zeitpunkt noch ein unbekannter Mann war, fragten die Buchhändler Jean le Rond d’Alembert zur Unterstützung an, der Mitglied der Akademie der Wissenschaften war und beste Verbindungen zum königlichen Hof unterhielt.

Als grosser Kritiker der Kirche wollte Diderot ein mächtiges Werk der Aufklärung schaffen und er nahm sich die Strategie der aufgestellten Thesen und Gegenthesen des Enzyklopädisten Pierre Bayle zum Vorbild, denn er dachte sich, dass kein kirchlicher Zensor etwas dagegen haben konnte, wenn ketzerische Meinungen zitiert und gleichzeitig widerlegt werden würden. Diese Taktik war natürlich durchschaubar, aber dennoch sehr effektiv. So soll es zahllose Querverweise mit spitzen Bemerkungen gegenüber Kirche und Klerus im Werk gegeben haben (Bsp.: Hinweis auf „Cannibalisme“ im Kapitel über die Eucharistie!). Diderot entschloss sich auch, keine biographischen Artikel aufzunehmen, damit er keine langen Beiträge über Könige und Kirchenfürsten veröffentlichen musste. Stattdessen betonte er die Bedeutung von Wissenschaften, Philosophie und der praktischen Arbeit und dadurch wurde die Encyclopédie zu einem revolutionären Dokument. Die blasphemischen Beiträge führten schliesslich dazu, dass Diderot verhaftet wurde und einige Wochen im Gefängnis verbringen musste, bis er dann auf Druck der Buchhändler wieder freigelassen wurde. Das Projekt kostete auch Freundschaften; so zerstritt Diderot sich mit seinem Freund Rousseau, der sich angesichts des immer grösseren Erfolgs seines Freundes, immer mehr in den Hintergrund gedrängt sah und sich benachteiligt fühlte. Für Diderot war die Encyclopédie ein Lebenswerk, es stellt sozusagen die Spitze des aufklärerischen Gedankenguts dar. Nichts geringeres schwebte ihm vor, als die geistige Eroberung der Welt zur Verbreitung der aufklärerischen Gedanken, was ja dann in die französische Revolution mündete. Er selber beendete sein Lebenswerk nicht, nach 17 Bänden übergab er seinen Nachfolgern die Aufgabe, es zu beenden, 1780 erschien der letzte 35. Band.

 

Literatur:

– Diderot/Le Rond d’Alembert: Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, 1751

– Blom, Philipp: Böse Philosophen, Hanser, 2010

 

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