Seit mehreren Jahren wird «Flipped Classroom» als didaktische Methode mit hohem Lerngewinn angepriesen. Im «Flipped Classroom» sind die Studierenden angehalten, sich die Inhalte vor der Veranstaltung selbst anzueignen. In der Präsenzveranstaltung werden dann hauptsächlich nur noch Aktivitäten in Kleingruppen durchgeführt, welche als Ziel haben, die zuvor gelernten Inhalte anzuwenden und zu verfestigen.
Am Departement Physik hatten wir die Gelegenheit, während eines Semesters eine Physikeinführungsveranstaltung (für Nichtphysiker) parallel als Vorlesung und als «Flipped Classroom» durchzuführen. Prof. Gerald Feldman ist ein Pionier und ausgewiesener Experte im Unterrichten von «Flipped Classroom», in der Physik auch als SCALE-UP bekannt. Während seiner Gastprofessur am Departement Physik bot Jerry Feldman 52 Studierenden einen vorbildlichen «Flipped Classroom» an. Die restlichen 318 Studierenden besuchten die normale Vorlesung. Wir haben beide Gruppen eng begleitet und im Verlauf des Semesters Daten zu ihrem Lernverhalten und zu ihren Leistungen gesammelt.
In dieser ersten Runde vergleichen wir den unmittelbaren Leistungszuwachs beider Gruppen während der Unterrichtperiode. In einer zweiten Runde wird das Lernverhalten gegenüberstellt und eine Abschlussrunde soll Auskunft über die Langzeitleistung ergeben. Zum Schluss wird das gesamte Duell dann kritisch analysiert.
Nun aber zu den Ergebnissen der ersten Runde. Gemessen wurde die Leistung anhand von drei Messreihen, einem Pretest, einem Posttest und einer Zwischenprüfung.
Zu Beginn der Veranstaltung, im Februar, absolvierten Studierende aus beiden Gruppen einen standardisierten Test zum konzeptionellen Verständnis von Kräften in der Mechanik (FCI). Der gleiche Test wurde ihnen dann am Ende des Semesters im Mai nochmals angeboten. Mit dem Vergleich der Ergebnisse aus Pretest und Posttest lässt sich der Lernzugewinn für die Vorlesungsgruppe und die «Flipped Classroom» Gruppe messen und gegenüberstellen. Studierende des «Flipped Classroom» wiesen dabei einen höheren Lernzugewinn auf als die Studierenden in der Vorlesung. Der Unterschied liegt im Grössenbereich von etwa 11%.
Die Zwischenprüfung erfolgte in der 10. Semesterwoche und bestand aus 3 konzeptuellen Verständnisfragen sowie 3 numerischen Problemfragen. Auch hier konnten wir die Ergebnisse beider Gruppen vergleichen.
Im Gesamtergebnis der Zwischenprüfung schnitt die «Flipped Classroom» Gruppe um etwa 7% besser ab als die Vorlesungsgruppe. Bei den Konzeptfragen liegt der Zugewinn bei etwa 11%, was mit dem Ergebnis aus Pre- und Posttest übereinstimmt. Bei den numerischen Fragen konnte kein signifikanter Unterschied ermittelt werden, beide Gruppen erbrachten hier vergleichbare Leistungen.
Zusammenfassend schnitt die «Flipped Classroom» Gruppe beim konzeptuellen Verständnis besser ab als die Vorlesungsgruppe. Beim numerischen Problemlösen liegen beide Gruppen gleichauf. Damit verbucht «Flipped Classroom» in der ersten Runde einen knappen Sieg. Hintergründe und Details zur Untersuchung sind >hier< zu finden.
In den kommenden Monaten werden wir die Daten zum Lernverhalten in beiden Gruppen untersuchen und diese dann als zweite Runde hier vorstellen. Das Duell bleibt daher noch spannend!