Critical Thinking im Flipped Classroom

Hintergrund: Im Rahmen der Critical Thinking Initiative der ETH Zürich haben Dozierende des Department Physik (D-PHYS) und des Departement Geistes- Sozial- und Staatswissenschaften (D-GESS) im FS2015 eine gemeinsame Lehrveranstaltung entwickelt.
ctiFlankierend zur parallel angebotenen Physik-Einführungsvorlesung werden die dort behandelten physikalischen Themen nun im historischen und philosophisch-systematischen Hintergrund eingebettet und kritisch reflektiert. Fragen nach der Relevanz physikalischer Modelle, nach dem Erklärungspotential von Metaphern, nach dem Stellenwert physikalischer Theorien usw. werden hier anhand von Originaltexten erarbeitet und gemeinsam diskutiert.
Mit dieser Veranstaltung sollen die Studierenden befähigt werden, unterschiedliche Ansätze und Problemstellungen aus der Physik kritisch zu bewerten und dies auch souverän kommunizieren zu können. Reflexion und Kommunikation sind also die beiden Hauptpfeiler dieser neuen Veranstaltung. Entsprechend wird auch ein umfassendes Aktivitätsspektrum eingesetzt, um diese Fähigkeiten einzuüben.

Aufbau: Während des Semesters finden 7 Veranstaltungen statt, die jeweils im Team-Teaching von drei Dozenten (1 D-PHYS, 2 D-GESS) geleitet werden. Jede dreistündige Veranstaltung besteht aus einem Input (45 Minuten), einer Debatte der 3 Dozenten (25 Minuten) und einer Plenumsdiskussion (25 Minuten).

Debatte

Debatte (3 Dozenten vertreten 3 konträre Standpunkte)

Anschliessend wird die Diskussion in Kleingruppen (mit jeweils einem Assistenten) in separaten Räumen weitergeführt (45 Minuten). Im Vorfeld sind die Studierenden aufgefordert, die einführenden Originaltexte während zwei Wochen in einem Diskussionsforum (in Moodle) aufzuarbeiten.
Die Veranstaltung ist mit 3 ECTS ausgewiesen, wobei die aktive Teilnahme in den Diskussionsforen eine Voraussetzung zum Leistungsnachweis darstellt.

Diskussionsgruppe (unter Leitung eines Assistenten)

Diskussionsgruppe (unter Leitung eines Assistenten)

Ca. 70 Studierende (mehrheitlich im 2. Studiensemester) sind in der Veranstaltung eingeschrieben und besuchen diese auch regelmässig. Davon beteiligen sich nahezu 60 Studierende in den Diskussionsforen.

Erfahrungen:

  • Die Beiträge im Diskussionsforum sind äusserst vielseitig und ausführlich (im Schnitt 150 Wörter/Beitrag). Teilweise finden dort auch echte Diskussionsstränge statt. Eine Moderation oder ein Eingreifen der Dozenten/Assistenten ist nicht nötig.
  • Über die Diskussionsbeiträge erhalten die Dozenten bereits vor der eigentlichen Veranstaltung einen Überblick über Verständnisschwierigkeiten und problematische Themenbereiche.
  • Da die Studierenden die Thematik vor der eigentlichen Veranstaltung bereits intensiv aufgearbeitet haben (Lektüre, Foren), entsteht in der Veranstaltung selber eine erhöhte Diskussionsbereitschaft. Zusätzlich animiert die Debatte, in welcher jeder Dozent einen konträren Standpunkt vertritt, die Studierenden dazu, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese dann in den anschliessenden Diskussionsgruppen einzubringen.

Fazit: Das Format der Veranstaltung bietet Abwechslung und die Vielfalt der Diskussionskanäle (Forum, Plenumsdiskussion, Kleingruppen) erlaubt es allen Studierenden, sich aktiv einzubringen. Wie im nachfolgenden Kommentar von einem Studierenden beschrieben, werden dabei die Ziele der Critical Thinking Initiative sehr schön umgesetzt:

„Es ist spannend zu sehen, wie verschiedene Menschen verschiedene Ansprüche an die Physik stellen. Man lernt sich dadurch selbst besser kennen.“